Mandanteninformation Juli/ August 2018

„Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance." Victor Hugo

1. Zuschätzungen bei nicht nachvollziehbaren Zahlungseingängen (Unternehmer)

Die Finanzverwaltung hat die Besteuerungsgrundlagen u. a. insoweit zu schätzen, wie sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann oder der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung geben kann.

Bei ungeklärten Zahlungseingängen auf dem Bankkonto eines Steuerpflichtigen ist dieser verstärkt zur Aufklärung und Mitwirkung verpflichtet. Ist nicht feststellbar, woher die Zahlungseingänge stammen, kann der Schluss gerechtfertigt sein, dass diese Eingänge unversteuerte Einnahmen sind.

Das Finanzgericht München hat entschieden, dass eine Zuschätzung zu den Betriebseinnahmen zulässig ist, wenn Herkunft bzw. Bestimmung der Zahlungseingänge nicht angegeben werden.
(FG München, Urteil vom 08.09.2017)

2. Geschäftsführer einer GmbH sind regelmäßig sozialversicherungspflichtig (Unternehmer)

Geschäftsführer einer GmbH unterliegen grundsätzlich den Weisungen der Gesellschafter und sind deshalb regelmäßig als abhängig beschäftigt und damit als sozialversicherungspflichtig anzusehen. Dies hat das Bundessozialgericht entschieden.

Eine Ausnahme gilt für Geschäftsführer, die zugleich Gesellschafter der GmbH sind, wenn sie durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen können. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ein Geschäftsführer mindestens 50 % der Anteile am Stammkapital hält. Bei einer geringeren Kapitalbeteiligung bedarf es ausdrücklicher Regelungen im Gesellschaftsvertrag über eine umfassende und unentziehbare Sperrminorität, sodass es dem Geschäftsführer möglich ist, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern.

Dementgegen kommt es nicht darauf an, ob ein Geschäftsführer einer GmbH im Außenverhältnis weitreichende Befugnisse besitzt oder ihm etwaige Freiheiten, z. B. bei den Arbeitszeiten, eingeräumt werden. Entscheidend sind vielmehr die rechtlich durchsetzbaren Einflussmöglichkeiten auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung.
(BSG, Urteil vom 15.03.2018)

3. Leistungsbeschreibung in Rechnungen (Umsatzsteuer)

Auch beim massenhaften Handel von Kleidungsstücken und von Modeschmuck im Niedrigpreissegment kann ein Vorsteuerabzug nur vorgenommen werden, wenn die Rechnung eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglicht, über die abgerechnet wird. Das hat das Hessische Finanzgericht in zwei Verfahren klargestellt.

Im Klageverfahren war die Klägerin im Streitjahr im Textilhandel unternehmerisch tätig. Sie vertrieb Damenoberbekleidung (insbesondere T-Shirts und Blusen) im Niedrigpreissegment. Die Kleidungsstücke wurden jeweils in großen Mengen in verschiedenen Standardgrößen und in mehreren Farben von Großhändlern eingekauft. Die Einkaufspreise je Artikel bewegten sich jeweils im unteren einstelligen Eurobereich. Das Finanzamt versagte bei einigen Rechnungen zu Lasten der Klägerin den Vorsteuerabzug, weil sich die Bezeichnungen der gelieferten Gegenstände in den Rechnungen auf die pauschale Bezeichnung einer Warenklasse und die Angabe einer erheblichen Stückzahl im mindestens dreistelligen Bereich beschränke. Eine Konkretisierung der Leistungsbeschreibungen fehle.

Auch im zweiten Klageverfahren, in dem die Klägerin im Bereich des Handels mit Modeschmuck und Accessoires im Niedrigpreissegment tätig war, lehnte das Finanzamt den Vorsteuerabzug ab, weil Rechnungen auch hier nur unzureichende Angaben wie „div. Modeschmuck" (Armband, Ohrring, Kette etc.), den Netto-Einzelpreis sowie die Anzahl der gelieferten Artikel enthielten.

Das Hessische Finanzgericht entschied, dass die streitigen Rechnungen mangels hinreichender Leistungsbeschreibung und fehlender Identifikationsmöglichkeit den gesetzlichen Anforderungen zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen nicht genügten. Innerhalb einer Branche sei hinsichtlich der Frage, welche Bezeichnung einer Leistung noch handelsüblich sei, nicht nach verschiedenen Verkehrskreisen - nämlich dem Handel mit Textilien im mittleren und oberen Preissegment einerseits und dem Handel mit Waren im Niedrigpreissegment andererseits - zu differenzieren. Die in den Rechnungen des Verfahrens 1 K 547/14 enthaltene bloße Angabe einer Gattung (z. B. Shirts, T-Shirts, Blusen, Kleider, Blusen, Jacken) stelle keine handelsübliche Bezeichnung dar. Die - hier fehlende - erforderliche weitergehende Umschreibung der Ware könne beispielsweise über die Herstellerangaben bzw. die Angabe einer etwaigen Eigenmarke oder über Modelltyp, Farbe und Größe sowie unter Bezugnahme auf eine Artikel- oder Chargennummer erfolgen. Auch die Benennung von Größe, Farbe, Material, gegebenenfalls Sommer- oder Winterware komme in Betracht.

Das Fehlen jeglicher weiterer Umschreibung der Artikel lasse vorliegend keine eindeutige und mit begrenztem Aufwand nachprüfbare Feststellung der Lieferungen, über die mit den Rechnungen abgerechnet worden sei, zu. Dabei bestehe angesichts der hohen Anzahl der in den Rechnungen aufgeführten Artikel auch die Gefahr einer willentlichen oder unwillkürlichen mehrfachen Abrechnung der Leistung in einer anderen Rechnung. All dies gelte auch für den Handel mit Modeschmuck, Uhren und Accessoires. Auch insoweit stelle die bloße Angabe einer Gattung (z. B. Armbänder, Ketten, Halsketten) keine handelsübliche Bezeichnung dar.

Das Hessische Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Diese wurde zwischenzeitlich für das Verfahren bzgl. Modeschmucks eingelegt.
(Hessisches FG, Pressemitteilung vom 23.01.2018)

4. Privatverkauf bei eBay ist dem Inhaber des eBay-Nutzernamens zuzurechnen (Umsatzsteuer)

Schon seit mehreren Jahren überwacht die Finanzverwaltung mittels spezieller Programme Verkäufe über Internetplattformen. Im Fokus stehen auch „Privatverkäufer", die nur unter Angabe eines fiktiven Nutzernamens eine Vielzahl von Waren veräußern, aber die daraus erzielten Erlöse weder der Einkommensteuer noch der Umsatzsteuer unterwerfen.

Das Finanzgericht Baden Württemberg hat entschieden, dass die Umsätze der Person zuzurechnen sind, unter deren Benutzernamen die Verkäufe ausgeführt wurden. Im entschiedenen Fall wurden auf der Plattform eBay über das Nutzerkonto eines Ehemanns über mehrere Jahre hinweg hunderte Verkäufe abgewickelt, die zu einem jährlichen Gesamtumsatz von über 20.000 € führten. Damit lag eine nachhaltige unternehmerische Tätigkeit vor. Umsatzsteuer wurde nicht erklärt und nicht abgeführt.

Das Finanzamt hatte zunächst Umsatzsteuerbescheide gegen den Ehemann und seine Ehefrau jeweils als Einzelunternehmer erlassen, weil auch Gegenstände der Ehefrau über den Benutzernamen veräußert wurden. Dagegen wehrten sich die Eheleute erfolgreich. Nunmehr nahm das Finanzamt nur noch den Ehemann in Anspruch, weil er das Nutzerkonto Jahre zuvor eröffnet hatte und damit zivilrechtlicher Vertragspartner des jeweiligen Verkaufsvorgangs war.

Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung des Finanzamts.
(FG Baden Württemberg, Urteil vom 26.10.2017)

5. Hinzuschätzung aufgrund einer Quantilsschätzung bei erheblichen formellen Mängeln der Aufzeichnungen der Bareinnahmen (Verfahrensrecht)

Bei erheblichen formellen Mängeln der Bareinnahmen-Aufzeichnungen kann aufgrund einer Quantilsschätzung hinzugeschätzt werden. Das Ergebnis muss aber durch weitere Erkenntnisse, z. B. Ergebnisse einer stochastischen Untersuchung, und eine partielle Nachkalkulation gestützt werden. Außerdem dürfen anderweitige Schätzmethoden, wie eine Geldverkehrsrechnung und eine Ausbeutekalkulation, nicht in Betracht kommen.

Vor dem Finanzgericht Hamburg wehrte sich der Wirt eines griechischen Lokals gegen die Zuschätzung zu seinem Gewinn. Der Wirt benutzte eine Registrierkasse, zog aber die Tagesendsummenbons (Z-Bons) nicht immer täglich, sondern teilweise für mehrere Tage, und führte kein Kassenbuch. Im Rahmen einer Betriebsprüfung erkannte die Prüferin das Fehlen von Sonntagen in den Aufzeichnungen und berechnete die Hinzuschätzung mittels der sog. Quantilschätzung unter Berücksichtigung eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 296 %.

Zu Recht, entschied das Gericht. Die Aufzeichnungen waren mangelhaft und sind manipuliert worden. Andere Schätzungsformen schieden von vornherein aus. U. a. scheiterte eine Ausbeutekalkulation für Speisen und Getränke daran, dass der Wirt die von ihm verwendeten Speisekarten nicht vorgelegt hatte und weder die verkauften Speisen noch deren Verkaufspreise nachträglich festgestellt werden konnten.

Der Bundesfinanzhof muss möglicherweise abschließend entscheiden.
(FG Hamburg, Urteil vom 05.03.2018)

6. Nachzahlungszinsen verfassungswidrig? (Verfahrensrecht)

Der Bundesfinanzhof (BFH) zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015. Das Gericht hat daher in einem aktuellen Verfahren Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt.

Hintergrund und Streitfall: Der Zinssatz für Nachzahlungszinsen beträgt seit dem Jahr 1961 unverändert für jeden Monat 0,5 % der nachzuzahlenden oder zu erstattenden Steuer (6 % pro Jahr). Im Streitfall setzte das Finanzamt (FA) gegen ein Ehepaar für den Zeitraum vom 1.5.2015 bis 16.11.2017 Nachzahlungszinsen in Höhe von rund 240.000 € fest. Die Antragsteller begehren die AdV des Zinsbescheids, da die Höhe der Zinsen von 0,5 % für jeden Monat verfassungswidrig sei. Das Finanzamt und das Finanzgericht der ersten Instanz lehnten dies ab.

Entscheidung: Der BFH dagegen gab dem Antrag statt:
Für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 bestehen schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreitet den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich im Streitzeitraum ein niedriges Marktzinsniveaus strukturell und nachhaltig verfestigt hat.
Für die Höhe des Zinssatzes fehlt es an einer Begründung. Sinn und Zweck der Verzinsungspflicht besteht darin, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Nichtentrichtung über eine Geldsumme verfügen kann. Dieses Ziel ist wegen des strukturellen Niedrigzinsniveaus für den Streitzeitraum nicht erreichbar und trägt damit die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe nicht.Darüber hinaus wirkt die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung.

Hinweis: Ob die Zinsen gesenkt werden, muss letztendlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Dort sind bereits mehrere Klagen gegen die Höhe der Nachzahlungszinsen anhängig. Gegen entsprechend hohe Zinsfestsetzungen kann nunmehr Einspruch mit Ruhen des Verfahrens eingelegt werden und Aussetzung der Vollziehung beantragt werden.
(BFH, Beschluss vom 25.04.2018)

7. Kein Lohnzufluss bei Gehaltsumwandlung für vorzeitigen Ruhestand (Arbeitgeber/Arbeitnehmer)

Eine GmbH schloss mit ihrem Geschäftsführer, der nicht am Stammkapital der GmbH beteiligt war, eine Wertguthabenvereinbarung. Durch diese Vereinbarung sollte sein vorzeitiger Eintritt in den Ruhestand finanziert werden. Der Geschäftsführer verzichtete auf monatlich 6.000 € brutto. Das so angesparte Guthaben sollte ihm in der späteren Freistellungsphase ausgezahlt werden. Lohnsteuer wurde von den einbehaltenen Bezügen nicht abgeführt.

Der Bundesfinanzhof bestätigte, dass keine Lohnsteuer einzubehalten ist. Er sieht keine Rechtsgrundlage dafür, bei einem angestellten Fremdgeschäftsführer andere Maßstäbe anzusetzen als bei sonstigen Arbeitnehmern. Damit widerspricht er der Auffassung der Finanzverwaltung, die Zeitwertkonten als mit dem Aufgabenbild des Organs einer Körperschaft für nicht vereinbar hält und bereits auf die einbehaltenen Beträge den Lohnsteuerabzug fordert.

Hinweis: Beherrschende Gesellschafter Geschäftsführer können bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit über die geschuldete Vergütung verfügen. Bei ihnen ist weiterhin bereits bei Gutschrift auf dem Zeitwertkonto Lohnsteuer einzubehalten.
(BFH, Urteil vom 22.02.2018)

8. Wohnungseigentümer müssen auch hohe Sanierungskosten tragen ( Mieter/Vermieter/Wohnungseigentümer)

Hat ein Altbau feuchte Wände und ist dadurch die Nutzung der Räumlichkeiten stark beeinträchtigt, muss eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Schäden beseitigen, auch wenn die Kosten dafür sehr hoch sind. Notfalls muss die Sanierung gemeinsam finanziert werden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

In einem 1890 erbauten Gebäude waren die Außenwände in drei Eigentumseinheiten im Souterrain stark durchfeuchtet. Laut einem eingeholten Gutachten sollte die Sanierung 300.000 € kosten. Der Mehrheit der Eigentümer war dies zu teuer. Die Sanierung wurde mit der Begründung abgelehnt, dass in Altbauten feuchte Wände durchaus üblich seien.

Nach Auffassung des Gerichts muss die Sanierung durchgeführt werden. Eine Eigentümergemeinschaft ist verpflichtet, das Gemeinschaftseigentum instand zu halten und notfalls auch zu sanieren. Entscheidend ist dabei, wie die Räume genutzt werden. Für Kellerräume in einem Altbau würden andere Maßstäbe gelten als für Wohnungen und Geschäftsräume. Bei letzterer Nutzung könne auch bei Altbauten erwartet werden, dass die Wände nicht feucht sind.
(BGH, Urteil vom 04.05.2018)

9. Nur tatsächlich gezahlte Krankenversicherungsbeiträge sind abziehbar (Einkommensteuer)

Beiträge zu Krankenversicherungen sind als Sonderausgaben abziehbar, soweit sie zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind. Für Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung gilt das nur für die Beitragsanteile, die auf Vertragsleistungen entfallen, die in Art, Umfang und Höhe den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sind.

Die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs auf die Beiträge für Basisleistungen der privaten Krankenversicherung ist zulässig, auch wenn diese Beiträge den maßgeblichen Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung unterschreiten. Damit wird gewährleistet, dass nur die tatsächlich für die Basisabsicherung gezahlten Beiträge berücksichtigt werden.

Werden in einem Versicherungstarif einer privaten Krankenkasse auch steuerlich nicht begünstigte Wahlleistungen versichert, bedarf es einer Aufteilung der Beiträge. Die Höhe der abziehbaren Beiträge teilt die Krankenversicherung der Finanzverwaltung mit.
(BFH, Urteil vom 29.11.2017)

10. Künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung bei Alleinerziehenden? (Einkommensteuer)

Die Aufwendungen wegen einer künstlichen Befruchtung (In-Vitro-Fertilisation) führt nur dann zu außergewöhnlichen Belastungen, sofern die Mutter mit dem Kinderwunsch entweder verheiratet oder in einer festen Partnerschaft lebt.

Für eine erfolglose, künstliche Befruchtung (In-Vitro-Fertilisation) wendete die alleinerziehende, 48-jährige Mutter eines Kindes im Jahr 2013 über 12.000 € auf. Die Maßnahme wurde in Tschechien durchgeführt. Das Finanzamt wie auch das FG Thüringen lehnten es ab, die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Grundsätzlich können zwar Krankheitsaufwendungen - und eine Einschränkung der Empfängnisfähigkeit ist eine Krankheit in diesem Sinne - als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein. Die Einschränkung, dass nur verheiratete Frauen diese Aufwendungen geltend machen dürfen, gilt seit 2007 nicht mehr. Der Abzug ist jedoch nur zulässig, sofern die Maßnahmen in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen werden.

Im Hinblick auf die Fortpflanzungsmedizin und entsprechend auch eine künstliche Befruchtung sind demnach aber auch ethische Fragen zu beachten. Hierbei gibt die Berufsordnung vor, dass grundsätzlich das Kindeswohl als gesichert gilt, wenn die zu behandelnde Frau verheiratet ist. Gleiches gilt, wenn der behandelnde Arzt zu der Überzeugung gelangt, dass die zu behandelnde Frau in einer festen Partnerschaft mit einem nicht verheirateten Mann lebt und dieser die Vaterschaft anerkennen wird.

Im Streitfall fehlte es an einem solchen Partner. Demnach waren die statusrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Die außergewöhnlichen Belastungen waren daher nicht anzuerkennen. Das FG Thüringen wies darauf hin, dass der Abzug möglich gewesen wäre, wenn die tschechische Klinik die statusrechtlichen Voraussetzungen nach der deutschen Berufsordnung für Ärzte geprüft hätte und diese vorgelegen hätten.

Hinweis: Der BFH hat zwischenzeitlich entschieden, dass auch eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft bei primärer Sterilität als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer künstlichen Befruchtung ausreichen würde.
(Deubner Verlag, Anmerkung vom 02.10.2017)

11. Verlust bei Einkünften aus Kapitalvermögen durch Ausfall einer Darlehensforderung (Einkommensteuer)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 24.10.2017 entschieden, dass der endgültige Ausfall einer privaten Darlehensforderung nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust führt. Von einem endgültigen Forderungsausfall ist jedoch erst dann auszugehen, wenn feststeht, dass keine (weiteren) Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Die bloße Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners ist dafür noch nicht ausreichend.

Sachlage im Streitfall
Im aktuellen Fall gewährte ein Ehepaar einem Dritten ein mit 5 % verzinsliches Darlehen. Kurz danach leistete der Darlehensnehmer keine Rückzahlungen mehr und es wurde ein Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet. Das Ehepaar meldete die noch offene Darlehensforderung zur Insolvenztabelle an und machte deren Ausfall als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im betreffenden Einkommensteuerbescheid geltend. Das zuständige Finanzamt erkannte dies nicht an. Der hiergegen erhobene Einspruch und die nach dessen Abweisung erhobene Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieben erfolglos. Die Revision des Ehepaars vor dem BFH jedoch hatte Erfolg: Das finanzgerichtliche Urteil wurde aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

Ausfall einer privaten Kapitalforderung
Ein endgültiger Ausfall einer privaten Kapitalforderung führt laut BFH nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust. Der BFH begründet seine Entscheidung wie folgt: Durch die Abgeltungsteuer sollte eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden, weshalb die Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgegeben wurde. Dies gilt insbesondere für nach Einführung der Abgeltungsteuer angeschaffte Kapitalanlagen. Aufgrund dieses zum 01.01.2009 erfolgten Paradigmenwechsels führt der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu einem gem. § 20 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Verlust.

Rückzahlung entspricht Veräußerung
Die Rückzahlung eines Darlehens erfüllt somit wie die Veräußerung den Tatbestand der Endbesteuerung. Ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls liegt jedoch erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass keine (weiteren) Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Die bloße Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür regelmäßig nicht aus. Wird allerdings die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt, so ist eine Rückzahlung endgültig nicht mehr zu erwarten.

Da auch die Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter ohne Gegenleistung zu einem Veräußerungsverlust führt, hat der BFH hierbei den Ausfall einer Forderung der Rückzahlung gleichgestellt. Denn wirtschaftlich kann es nicht darauf ankommen, ob der Steuerpflichtige die Forderung noch kurz vor dem Ausfall zu null veräußert oder ob er auf eine Quote hofft und die Forderung behält. Beide Fälle führen für den Steuerpflichtigen zu einer Einbuße an seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, so dass diese gleichermaßen steuerlich berücksichtigt werden muss.

Praxishinweis:
Der BFH hat mit seinem Urteil den Forderungsausfall der Veräußerung gleichgestellt und dem Steuerpflichtigen damit den Aufwand abgenommen, noch schnell einen Käufer finden zu müssen, damit der Verlust geltend gemacht werden kann. Inwieweit diese Grundsätze auch bei einem Forderungsverzicht oder etwa dem Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft Anwendung finden, ist noch offen. Allerdings dürfte sich auch die Beurteilung derartiger Verluste durch die Einführung der Abgeltungsteuer verändern. Steuerpflichtige sollten bei der Geltendmachung von Forderungsverlusten darauf achten, dass der BFH einen endgültigen Ausfall verlangt und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht ausreichend ist.
(Deubner Verlag, Anmerkung vom 03.01.2018)

12. Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen (Einkommensteuer)

Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen im Haushalt des Steuerpflichtigen wird auch dann gewährt, wenn eine Reparatur nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen erfolgt, sondern der Haushaltsgegenstand vom Handwerker mitgenommen und in seiner Werkstatt repariert wird.

Hintergrund: Für Handwerkerleistungen wegen Renovierung, Instandhaltung oder Modernisierung im Haushalt des Steuerpflichtigen wird eine Steuerermäßigung von 20 % auf den in der Rechnung ausgewiesenen Arbeitskostenanteil gewährt, höchstens aber 1.200 €. Dieser Ermäßigungsbetrag wird unmittelbar von der Steuer abgezogen.

Streitfall: Die Klägerin ließ ihr Hoftor durch einen Tischler reparieren. Der Tischler hatte das Hoftor ausgebaut, in seiner Werkstatt repariert und anschließend wieder im Hof der Klägerin eingebaut. Sein Lohnkostenanteil für die Reparatur betrug rund 1.000 €. Die Klägerin machte 20 % als Steuerermäßigung geltend. Das Finanzamt erkannte die Steuerermäßigung nicht an, weil die Reparatur nicht im Haushalt der Klägerin, sondern in der Werkstatt des Tischlers erfolgt war.

Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) gab der Klage statt:

Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen wird für Renovierungsarbeiten, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Haushalt des Steuerpflichtigen gewährt. Der Begriff des Haushalts ist dabei nicht auf die Wohnung beschränkt, sondern räumlich-funktional zu verstehen. Daher gehört auch das gesamte Grundstück wie z. B. der Garten oder der Hof dazu. Damit ist die Reparatur eines Hoftores grundsätzlich begünstigt.
Unschädlich ist, dass die Reparatur nicht auf dem Grundstück der Klägerin erfolgt ist, sondern in der Werkstatt des Tischlers durchgeführt worden ist. Denn es genügt, dass der Leistungserfolg in der Wohnung bzw. auf dem Grundstück des Steuerpflichtigen eintritt. Daher darf der defekte Gegenstand vom Handwerker mitgenommen und repariert werden.

Hinweise: Das FG widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, die nur solche Reparaturen steuerlich anerkennt, die vor Ort im Haushalt des Steuerpflichtigen durchgeführt werden. Die Revision gegen die Entscheidung ist beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 4/18 anhängig.
(FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.07.2017)

13. Einheitswertbewertung bei der Grundsteuer (Sonstiges)

Die sog. Einheitsbewertung, die die Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer ist, ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungswidrig. Der Gesetzgeber muss spätestens bis zum 31.12.2019 eine Neuregelung treffen; bis zu diesem Zeitpunkt darf das bisherige Recht weiter angewendet werden. Kommt es zu einer Neuregelung, darf das bisherige Recht darüber hinaus noch weitere fünf Jahre, längstens jedoch bis zum 31.12.2024, angewendet werden. Wird keine Neuregelung getroffen, fällt die Grundsteuer zum 1.1.2020 ersatzlos weg.

Hintergrund: Grundstücke müssen für steuerliche Zwecke bewertet werden, z. B. für die Grunderwerbsteuer, wenn Anteile an einer Immobiliengesellschaft verkauft werden, für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, wenn Immobilien vererbt oder verschenkt werden, oder auch für die Grundsteuer. Für die Grundsteuer wird ein sog. Einheitswert durch Bescheid ermittelt, für den in den alten Bundesländern die Wertverhältnisse zum 1.1.1964 maßgeblich sind, in den neuen Bundesländern sogar die Wertverhältnisse zum 1.1.1935. Ein neuer Bewertungsstichtag wurde nie festgelegt. Auf der Grundlage dieses Einheitswertbescheides wird dann die Grundsteuer festgesetzt, wobei sich ihre Höhe nach einem Hebesatz richtet, den die Kommunen eigenständig festlegen.

Streitfälle: Das BVerfG musste über insgesamt fünf Fälle aus den alten Bundesländern entscheiden, in denen entweder die Grundstückseigentümer selbst die Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung geltend gemacht hatten oder aber der Bundesfinanzhof (BFH) das BVerfG angerufen hatte, weil das Gericht die Einheitsbewertung wegen zu niedriger Werte für verfassungswidrig hielt.

Entscheidung: Das BVerfG hält die Einheitsbewertung ebenfalls für verfassungswidrig:

Die Einheitsbewertung ist in den alten Bundesländern zum 1.1.1964 durchgeführt worden und sollte nach der ursprünglichen Gesetzeskonzeption alle sechs Jahre erneut erfolgen, indem der neue Termin durch ein weiteres Gesetz festgelegt wird. Diese erneute Wertermittlung ist jedoch unterblieben, weil das Gesetz für den neuen Termin nie erlassen wurde. Hierdurch ist es zu einer erheblichen Wertverzerrung gekommen, weil unverändert der Wert zum 1.1.1964 zugrunde gelegt wird und nicht der aktuelle tatsächliche Verkehrswert.

Ein Gesetz, das an Werte anknüpft, ist aber nur dann verfassungsgemäß, wenn die Werte der Realität entsprechen. Zwar wäre es verfassungsrechtlich hinzunehmen, wenn alle Einheitswerte in gleichem prozentualem Umfang hinter dem jeweiligen aktuellen Verkehrswert zurückblieben. Dies ist allerdings nicht der Fall, weil sich bei vielen Grundstücken, z. B. in Großstädten, die Werte deutlich anders entwickelt haben als bei anderen Grundstücken, etwa auf dem Land.

Auch wenn eine Neubewertung sehr verwaltungsaufwändig ist, darf dieser Aufwand den Gesetzgeber nicht davon abhalten, die erforderliche Neubewertung durchzuführen.

Zwar ist somit die Einheitsbewertung verfassungswidrig. Das bisherige Recht gilt allerdings bis zu einer gesetzlichen Neuregelung weiter, die spätestens bis zum 31.12.2019 zu treffen ist (Neuregelungsfrist).
Sobald der Gesetzgeber eine Neuregelung erlässt, bleibt das bisherige Recht weitere fünf Jahre lang anwendbar, allerdings nicht über den 31.12.2024 hinaus, damit bis dahin die erforderliche Neubewertung aller zu bewertenden Immobilien (ca. 35 Mio. Immobilien) in Deutschland vorgenommen werden kann (Umsetzungsfrist). Danach darf das bisherige Recht nicht mehr angewendet werden.

Hinweise: Die Entscheidung überrascht nicht, da schon bei der Grunderwerbsteuer sowie bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer eine Anpassung der Grundstücksbewertung an die aktuellen Verkehrswerte durch das BVerfG angeordnet worden war und erfolgt ist.

Die Kläger hatten sicherlich gehofft, dass die von ihnen geltend gemachte Verfassungswidrigkeit zur Rechtswidrigkeit des Einheitswertbescheids und damit auch des Grundsteuerbescheids führen würde. Das BVerfG hat diese Hoffnung allerdings zunichte gemacht, da das bisherige Recht zunächst weiterhin angewendet werden darf.

Zwar ist denkbar, dass der Gesetzgeber auch eine rückwirkende Neuregelung erlässt. Angesichts der vom BVerfG gesetzten recht knapp bemessenen Neuregelungsfrist zum 31.12.2019 ist dies allerdings nicht zu erwarten. Vorsorglich kann gegen neue Einheitswertbescheide, die auf dem bisherigen Recht beruhen, Einspruch eingelegt werden und der Bescheid bis zu einer Neuregelung offen gehalten werden.
(BVerfG, Urteil vom 10.04.2018)

14. Verzicht auf Erstattung von Krankheitskosten (Sonstiges)

Trägt ein Privatversicherter Krankheitskosten selbst, um von seiner Krankenversicherung eine Beitragsrückerstattung zu erhalten, kann er diese Kosten nicht als Sonderausgaben absetzen. Denn die Krankheitskosten sind keine Beiträge zur Krankenversicherung. In Betracht kommt allenfalls ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen.

Hintergrund: Zu den Sonderausgaben gehören u. a. Beiträge zu einer Krankenversicherung. Erhält der Versicherungsnehmer eine Beitragsrückerstattung, wird diese von den Sonderausgaben abgezogen.

Streitfall: Die Kläger sind Eheleute, die im Jahr 2013 Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung in Höhe von ca. 3.200 € gezahlt hatten. Sie hatten Krankheitskosten in Höhe von ca. 600 € selbst getragen und erhielten hierfür eine Beitragsrückerstattung von ca. 1.000 €. In ihrer Steuererklärung für das Jahr 2013 machten sie Sonderausgaben in Höhe von 2.800 € geltend. Den Betrag ermittelten sie, indem sie von den Versicherungsbeiträgen die um die selbst getragenen Krankheitskosten geminderte Beitragsrückerstattung abzogen (3.200 € KV-Beiträge minus 400 € [Beitragsrückerstattung 1.000 € abzüglich selbst getragener Krankheitskosten 600 €]). Das Finanzamt berücksichtigte die Krankheitskosten nicht, sondern setzte lediglich Sonderausgaben in Höhe von 2.200 € an (3.200 € KV-Beiträge minus 1.000 € Beitragsrückerstattung).

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

Als Sonderausgaben sind Beiträge zu einer Krankenversicherung absetzbar. Die Zahlung muss also der Erlangung eines Versicherungsschutzes dienen.

Die von den Klägern getragenen Krankheitskosten dienten nicht der Erlangung eines Versicherungsschutzes, sondern der Behandlung einer Krankheit. Sie können daher nicht als Sonderausgaben geltend gemacht werden.

Unbeachtlich ist, dass die Kläger höhere Sonderausgaben hätten geltend machen können, wenn sie eine Erstattung der Krankheitskosten bei der Krankenversicherung beantragt hätten. Sie hätten dann keine Beitragsrückerstattung erhalten und ihre Versicherungsbeiträge in voller Höhe von 3.200 € als Sonderausgaben absetzen können. Im Steuerrecht sind fiktive Sachverhalte jedoch nicht zu berücksichtigen.
Zwar kommt grundsätzlich ein Abzug der selbst getragenen Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen in Betracht. Jedoch lag hier die Höhe der Krankheitskosten unterhalb der sog. zumutbaren Belastung der Kläger und wirkte sich deshalb nicht aus.

Hinweise: Der BFH hat bereits in der Vergangenheit entschieden, dass Zahlungen eines Krankenversicherten aufgrund einer Selbstbeteiligung nicht als Sonderausgaben abgesetzt werden können. Denn auch insoweit handelt es sich nicht um Zahlungen zur Erlangung eines Versicherungsschutzes, sondern um echte Krankheitskosten.

Es kann zwar wirtschaftlich vernünftig sein, auf eine Erstattung von Krankheitskosten gegenüber der Versicherung zu verzichten, um hierdurch die Beitragsrückerstattung zu erlangen. Allerdings ist es nach Ansicht des BFH nicht Aufgabe des Steuerrechts, dafür zu sorgen, dass dieser wirtschaftliche Vorteil auch steuerlich geschützt wird. Im Ergebnis muss der Versicherungsnehmer also die steuerliche Belastung, die sich aufgrund einer Beitragsrückerstattung in Gestalt der Kürzung des Sonderausgabenabzugs ergibt, in seine Überlegungen einbeziehen.
(BFH, Urteil vom 29.11.2017)