Mandanteninformation Mai/Juni 2018

„Wer etwas Großes will, der muss sich zu beschränken wissen, wer dagegen alles will, der will in der Tat nichts und bringt es zu nichts." Georg Wilhelm Friedrich Hegel

1. Aufwendungen für Jubiläums-Wochenende können als Betriebsausgaben abzugsfähig sein (Unternehmer)

Ein Verein mit gewerblichen Einkünften feierte sein 25 jähriges Bestehen von Freitag bis Sonntag in aufwendigem Rahmen mit 450 Personen (Vereinsmitglieder, Geschäftspartner und Arbeitnehmer). Die Gesamtkosten betrugen 240.000 €. Neben der Vorstandssitzung, der Mitgliederversammlung und der Jubiläumsveranstaltung gab es ein umfangreiches Rahmenprogramm, wie Beachparty, Jubiläumsmarkt und Schifffahrt auf dem Rhein mit Abendessen. Der Verein bezahlte auch alle Übernachtungskosten.

Die auf Übernachtungen und Rahmenprogramm entfallenden Kosten behandelte das Finanzamt als nicht abzugsfähige Aufwendungen für Geschenke, weil sie je Person mehr als 35 € betrugen.

Das Finanzgericht Münster kam aufgrund von Zeugenbefragungen zu dem Ergebnis, dass das Jubiläums-Wochenende nur der Kontaktpflege und dem fachlichen Gedankenaustausch der Teilnehmer diente. Es konnte keinen Geschenkecharakter in den Kosten für Übernachtung und Rahmenprogramm erkennen. Nach Auffassung des Gerichts waren diese deswegen als Betriebsausgaben abzugsfähig.
(FG Münster, Urteil vom 9.11.2017)

2. Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrages (IAB) (Unternehmer)

Ein Investitionsabzugsbetrag (IAB) ist auch dann wegen Nichtvornahme der Investition rückgängig zu machen, wenn er zu Unrecht gebildet worden ist.

Streitfall: Der Kläger hatte im Jahr 2011 einen IAB gebildet, obwohl er dies nicht hätte tun dürfen (seine Gewinngrenze war überschritten). Sein Einkommensteuerbescheid 2011 wurde bestandskräftig. In der Folge führte er die Investition allerdings nicht durch. Der Kläger meint, der Bescheid für 2011 könne nicht mehr geändert und der IAB nicht mehr rückgängig gemacht werden, da dies nur bei einem rechtmäßig gebildeten IAB zulässig sei.

Entscheidung: Dem folgten die Richter des BFH nicht: 

Die Vorschrift, nach der der IAB bei unterbliebener Investition rückgängig zu machen ist, differenziert nicht danach, ob im Abzugsjahr sämtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Abzug vorgelegen haben.
Auch soll nach dem Zweck der Norm der IAB immer dann rückwirkend rückgängig gemacht werden, wenn die beabsichtigte Investition innerhalb des dreijährigen Investitionszeitraums nicht vorgenommen wurde. Dieser Zweck wird unabhängig davon erfüllt, ob im Veranlagungszeitraum des Abzugs die Gewinngrenze unter- oder überschritten war.

Hinweis: Stellt ein Unternehmer nach Bildung des IAB fest, dass er den IAB zu Unrecht gebildet hat, kann er umgehend die Änderung des Bescheids zu seinen Ungunsten beantragen. Auf diese Weise verhindert er, dass der Bescheid erst nach Ablauf des dreijährigen Investitionszeitraums geändert wird und so eine relativ hohe Zinsfestsetzung entsteht.
(BFH, Beschluss vom 5.2.2018)

3. Ferienjobs sind für Schüler sozialversicherungsfrei (Arbeitgeber/Arbeitnehmer)

Schüler können in den Ferien im Rahmen eines kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisses unbegrenzt Geld verdienen, ohne sozialversicherungspflichtig zu werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Dauer des Ferienjobs bei einer Arbeitswoche von mindestens fünf Tagen höchstens drei Monate beträgt. Bei einer Arbeitswoche unter fünf Tagen dürfen gesamt 70 Arbeitstage nicht überschritten werden. Eine geringfügige Beschäftigung liegt jedoch nicht mehr vor, wenn diese berufsmäßig ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt 450 € im Monat übersteigt.

Wird die Beschäftigung in einem Kalenderjahr über diesen kurzen Zeitraum hinaus fortgesetzt und ein Arbeitsentgelt von bis zu 450 € im Monat gezahlt, sind die Vorschriften für die sog. Minijobs anzuwenden.

Beispiel: Schüler Paul arbeitet erstmals in den Sommerferien vom 5. Juli bis 17. August 2018 montags bis freitags in einer Firma und erhält dafür ein Entgelt von insgesamt 1.000 €. Es entsteht keine Sozialversicherungspflicht, weil er nicht mehr als drei Monate arbeitet. Am 1. Oktober 2018 vereinbaren sie, dass Paul fortan für monatlich 450 € weiterarbeitet. Ab diesem Tag hat der Arbeitgeber pauschale Sozialversicherungsabgaben, Pauschalsteuer und Umlagen an die Minijob Zentrale der Bundesknappschaft zu entrichten. Außerdem wird ein Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung einbehalten, sofern Paul keine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beantragt.
(§§ 8 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. 115 SGB IV)

4. Erhöhte Absetzung für eine Eigentumswohnung (Mieter/Vermieter)

Die Erwerber eines Penthouses machten nach dessen Fertigstellung Sonderabschreibungen geltend. Die Wohnung war vollständig auf ein vorhandenes denkmalgeschütztes Gebäude eines Mehrfamilienhauses aufgebaut worden. Obwohl die Eigentümer eine entsprechende Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde vorlegten, lehnte das Finanzamt die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzung mit der Begründung ab, es handele sich hier um einen Neubau.

Der Bundesfinanzhof machte deutlich, dass allein eine solche Bescheinigung maßgebend für die Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen ist. Das Finanzamt hat diese im Besteuerungsverfahren ohne weitere Rechtmäßigkeitsprüfung zugrunde zu legen, es sei denn, die Bescheinigung wäre nichtig und deshalb unwirksam. Dies traf in dem geschilderten Fall nicht zu, sodass die Sonderabschreibung zu Recht in Anspruch genommen wurde.
(BFH, Urteil vom 10.10.2017)

5. Abzug nachträglicher Schuldzinsen bei Vermietungseinkünften (Mieter/Vermieter)

Fallen nach der Veräußerung eines Vermietungsobjekts hierfür noch Schuldzinsen an, können sie steuerlich insoweit noch als Werbungskosten geltend gemacht werden, als der Verkaufspreis nicht zur Darlehnstilgung ausreicht. Wird das Darlehn aber nicht zurückgezahlt, weil hierfür bspw. hohe Vorfälligkeitsentschädigungen anfallen, sind die Schuldzinsen auch dann nicht abzugsfähig, wenn der Steuerpflichtige behauptet, vom Verkaufspreis ein anderes Vermietungsobjekt kaufen zu wollen. Allein die Absicht genügt nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs nicht. Die angebliche Investitionsabsicht in ein noch zu erwerbendes und nicht bestimmtes Vermietungsobjekt reicht nicht aus, um den notwendigen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietungstätigkeit zu begründen.
(BFH, Urteil vom 6.12.2017)

6. Zahlung eines Vorschusses steht Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte nicht entgegen (Einkommensteuer)

Außerordentliche Einkünfte, z. B. Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen, werden mittels der sog. Fünftelregelung ermäßigt besteuert. Die Tarifermäßigung soll die außergewöhnliche Progressionsbelastung abmildern, die dadurch entsteht, dass dem Steuerpflichtigen Einkünfte, wie beispielsweise bei einer Entschädigung, in einem Veranlagungszeitraum zusammengeballt zufließen.

Der Bundesfinanzhof hatte den Fall eines Fahrradfahrers zu entscheiden, der 1993 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde und seitdem schwerbehindert ist. Er erhielt von der gegnerischen Versicherung im Jahr 2006 Zahlungen i. H. v. 25.000 €. Nach einem gerichtlichen Vergleich von Juli 2012 hatte er überdies ab September 2008 Anspruch auf regelmäßige monatliche Zahlungen. Deshalb zahlte die Versicherung im November 2012 55.000 € an den Fahrradfahrer, wobei sie – wie im Vergleich vereinbart – schon einen Vorschuss aus Februar 2012 i. H. v. 10.000 € abgezogen hatte.

Das Finanzamt hatte eine ermäßigte Besteuerung der insgesamt 65.000 € in 2012 abgelehnt, weil es an einer Zusammenballung der Einkünfte fehle. Der Bundesfinanzhof stellte jedoch klar, dass der zu verrechnende Vorschuss nur eine Zahlungsmodalität und damit unschädlich für die Voraussetzung der Zusammenballung ist. Ebenfalls unschädlich sind die bereits in 2006 geleisteten Zahlungen, da es sich hierbei um eine selbstständig zu beurteilende Entschädigung handelt.
(BFH, Urteil vom 11.10.2017)

7. Hälftiges Miteigentum an außerhäuslichem Arbeitszimmer (Einkommensteuer)

Ein Ehepaar kaufte zwei Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus, die dann jeweils im hälftigen Miteigentum der Ehepartner standen. Dafür nahm das Ehepaar gemeinsam ein Darlehn auf. Zins und Tilgung zahlten sie von ihrem gemeinsamen Konto. Eine der Wohnungen nutzte die Ehefrau als steuerlich anerkanntes außerhäusliches Arbeitszimmer. Das Finanzamt berücksichtigte die nutzungsabhängigen Kosten wie Energie- und Wasserkosten in voller Höhe als Werbungskosten, während es Abschreibung und Schuldzinsen nur zur Hälfte zum Abzug zuließ.

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzamts. Bei gemeinschaftlichem Erwerb einer Wohnung ist davon auszugehen, dass jeder Miteigentümer die Anschaffungskosten entsprechend seinem Miteigentumsanteil getragen hat. Grundstücksorientierte Kosten wie Abschreibung, Grundsteuern, Versicherungen und Schuldzinsen können daher nur entsprechend den Miteigentumsanteilen zu Werbungskosten führen.
(BFH, Urteil vom 6.12.2017)

8. Krankheitskosten sind keine Sonderausgaben (Einkommensteuer)

Privat Krankenversicherte können oft eine Beitragserstattung erhalten, indem sie einen Teil ihrer Krankheitskosten selbst tragen. Diese selbst getragenen Kosten können jedoch nicht als Beiträge zur Krankenversicherung im Rahmen des Sonderausgabenabzugs berücksichtigt werden. Mit dieser Entscheidung führt der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung zur Kostentragung bei einem Selbstbehalt fort.

Nur solche Ausgaben sind als Beiträge zu Krankenversicherungen abziehbar, die im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen. Nur diese dienen letztlich der Vorsorge.

Hinweis: Übersteigen die selbst getragenen Krankheitskosten die zumutbare Belastung, können sie möglicherweise aber als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein.
(BFH, Urteil vom 29.11.2017)

9. Nachweise der Ausbildungswilligkeit des volljährigen Kinds als Kindergeldvoraussetzung (Kinder)

Für ein volljähriges Kind besteht u. a. Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag, wenn es das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.

Das Finanzgericht des Landes Sachsen Anhalt verlangt allerdings die ernsthafte Ausbildungswilligkeit des Kindes. Der Nachweis kann geführt werden durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Arbeitsuchender gemeldet ist.

Ist das Kind nicht bei der Arbeitsagentur als arbeitsuchend gemeldet, sind schriftliche Bewerbungen unmittelbar an Ausbildungsstellen sowie deren Zwischennachricht oder Ablehnung ebenfalls als Nachweis geeignet. Aus diesen Unterlagen muss erkennbar sein, dass sich das Kind ernsthaft um eine Ausbildungsstelle beworben hat.

Wurde von der Familienkasse trotz fehlender Nachweise dennoch Kindergeld ausgezahlt, ist nach diesem Urteil eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nur mit Wirkung für die Zukunft möglich.
(FG des Landes Sachsen Anhalt, Beschluss vom 12.10.2017)
 

10. Außenputz und Außenanlagen eines Neubaus (Sonstiges)

Wird bei einem Neubau erstmalig ein Außenputz angebracht, ein Gartenzaun aufgestellt, Rollrasen ausgelegt und eine Einfahrt auf das Grundstück gepflastert, handelt es sich nicht um steuerlich begünstigte Handwerkerleistungen. Denn die Arbeiten stehen in Zusammenhang mit einem Neubau.

Hintergrund: Für Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Haushalt des Steuerpflichtigen wird eine Steuerermäßigung von 20 Prozent auf den in der Rechnung ausgewiesenen Arbeitskostenanteil gewährt, höchstens 1.200 €. Dieser Ermäßigungsbetrag wird unmittelbar von der Steuer abgezogen.

Streitfall: Die Kläger ließen auf ihrem Grundstück ein Einfamilienhaus durch E errichten. Der Bauvertrag sah auch die Anbringung des Außenputzes vor, nicht aber die Erstellung von Außenanlagen. Die Abnahme des Neubaus erfolgte im März 2014. Dem Abnahmeprotokoll zufolge fehlte noch der Außenputz. Die Kläger zogen nach der Abnahme in das Haus ein. Im Juni 2014 wurde von E der Außenputz angebracht und durch K ein Rollrasen im Garten verlegt, ein 41 Meter langer Zaun aufgestellt und eine Einfahrt gepflastert. Die Kläger machten den Arbeitskostenanteil der von E und K gestellten Rechnungsbeträge als steuerbegünstigte Handwerkerleistungen geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte.

Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: 

Handwerkerleistungen sind nur dann begünstigt, wenn sie in einem vorhandenen Haushalt erbracht werden. Damit scheiden solche Handwerkerleistungen aus, die im Zusammenhang mit einem Neubau stehen.

Die Anbringung des Außenputzes durch den Handwerker E war Teil des Bauvertrags und gehörte damit zum Neubau. Unbeachtlich war, dass die Kläger vor der Anbringung des Außenputzes in das Haus eingezogen waren. Der Einzug in das Haus im März 2014 löste den Zusammenhang mit dem Neubau nicht, zumal zwischen Einzug und Anbringung des Außenputzes im Juni 2014 lediglich drei Monate lagen.
Auch der Rollrasen, der Zaun und die gepflasterte Einfahrt gehörten zum Neubau. Denn es waren vorher keine vergleichbaren Außenanlagen vorhanden, die hätten renoviert, modernisiert oder instandgehalten werden können. Auch insoweit war ein zeitlicher Zusammenhang mit dem Neubau anzunehmen, da die Außenanlagen innerhalb von drei Monaten nach Fertigstellung des Hauses angebracht wurden.

Hinweise: Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen, weil bislang ein genauer Maßstab für die Abgrenzung zwischen Neubau und begünstigter Baumaßnahme fehlt. Im Streitfall lässt sich die Anbringung des Außenputzes relativ klar als Neubaumaßnahme einstufen, weil diese Baumaßnahme bereits im Bauvertrag vereinbart war. E hatte den auf den Außenputz entfallenden Betrag gesondert abgerechnet und dafür für den Hausbau entsprechend weniger verlangt.

Bei den Außenanlagen ist dies schwieriger zu beurteilen, weil diese häufiger erst längere Zeit nach dem Einzug in den Neubau vorgenommen werden, z. B. Gartenarbeiten im nächsten oder übernächsten Sommer. Der BFH wird nun Grundsätze für diese Abgrenzung entwickeln müssen.
(FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7.11.2017)

11. Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts bei einer Schenkung (Sonstiges)

Zwar kann bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens ein niedrigerer Grundstückswert nachgewiesen werden. Das Sachverständigengutachten muss aber ordnungsgemäß erstellt worden sein: Neben der Beachtung der gesetzlichen Vorgaben für die Grundstücksbewertung müssen die Begutachtungsgrundlagen zutreffend erhoben und dokumentiert worden sein.

Hintergrund: Werden Grundstücke vererbt oder verschenkt, muss der Wert des Grundstücks ermittelt werden, um Erbschaft- und Schenkungsteuer festsetzen zu können. Hierzu gibt es verschiedene Bewertungsverfahren, die von der Art und Nutzung des Hauses abhängig sind. Bei vermieteten Wohnimmobilien ist z. B. das Ertragswertverfahren vorgesehen. Der Steuerpflichtige hat jedoch die Möglichkeit, durch ein Gutachten einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen.

Streitfall: Dem Kläger wurde 2007 ein Miethaus geschenkt, das 1900 gebaut und seitdem nicht mehr saniert worden war. Für die Bemessungsgrundlage bei der Schenkungsteuer ließ der Kläger ein Sachverständigengutachten erstellen. Der Sachverständige ermittelte einen sog. Ertragswert der Immobilie von 800.000 € und zog hiervon einen Sanierungsstau in Höhe von 170.000 € ab. Den Betrag ermittelte der Gutachter im Rahmen einer Ortsbesichtigung, bei der er die Immobilie von außen und eine von 17 Wohnungen auch im Innenbereich besichtigt hatte. Das Finanzamt erkannte einen Sanierungsstau nur in Höhe von 101.000 € an und setzte den Wert für die Schenkungsteuer auf 699.000 € fest (800.000 € Ertragswert abzüglich 101.000 € Sanierungsstau).

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: 

Nur ein ordnungsgemäß erstelltes Gutachten ist für den Nachweis eines niedrigeren Grundstückswertes geeignet. Dies setzt zunächst voraus, dass der Gutachter die gesetzlichen Vorgaben für die Grundstücksbewertung beachtet; das Gutachten muss also eine methodische Qualität aufweisen.

Zum anderen muss der Gutachter das Grundstück einschließlich Gebäude auch besichtigen und die Grundlagen, auf die er seine Bewertung stützt, dokumentieren. Er darf sich nicht nur auf Auskünfte des Auftraggebers oder auf seine jahrelange Erfahrung stützen.

Im Streitfall hat der Gutachter zwar zutreffend das sog. Ertragswertverfahren angewendet, bei dem der Grundstückswert aus den Bodenpreisen und dem Mietertrag abgeleitet wird. Hierbei kann auch ein Sanierungsstau wertmindernd berücksichtigt werden. Der Gutachter hat jedoch bei der Ermittlung des Ertragswertes die erzielten Mieten zu Grunde gelegt und dann einen Sanierungsstau abgezogen. Gleichzeitig hat er darauf hingewiesen, dass nach der Sanierung höhere Mieten erzielt werden können. Insofern hat er den wegen des Instandsetzungsbedarfs vorzunehmenden Abschlag vom Ertragswert zu hoch angesetzt.

Außerdem hat der Gutachter nur eine einzige Wohnung, die leer stand, besichtigt, nicht aber die 16 vermieteten Wohnungen. Er konnte daher den Sanierungsbedarf für die vermieteten Wohnungen nicht feststellen, sondern hat sich insoweit nur auf die Angaben des Klägers und auf seine eigene Erfahrung verlassen. Damit sind die Begutachtungsgrundlagen nicht ausreichend erhoben und dokumentiert worden.

Hinweis: In der Praxis muss darauf geachtet werden, dass der Gutachter ordnungsgemäß arbeitet und sich das Grundstück umfassend anschaut, wenn er Bewertungsabschläge vornimmt. Der Gutachter darf sich insoweit nicht auf die Aussagen des Steuerpflichtigen stützen. Je weniger der Gutachter selbst ermittelt hat, desto niedriger ist der Nachweiswert seines Gutachtens. Wegen der Beweislast geht dies dann zu Lasten des Steuerpflichtigen.

Vermieden werden sollten auch Fehler bei der methodischen Qualität des Gutachtens. Wenn der Gutachter bereits bei der Ermittlung der Mieteinnahmen eine niedrige Miete wegen der Mängel der Immobilie ansetzt, darf er den Mangel nicht noch zusätzlich vom Mietwert abziehen.
(BFH, Urteil vom 24.10.2017)