Mandanteninformation Juli/ August 2021

„Man kann eine Grenze nicht erkennen, wenn man sie nicht überschreitet.“
Heinrich Böll

1. Zur Stromlieferung als selbstständige Leistung neben einer umsatzsteuerfreien Ver-mietung

Das Finanzgericht Niedersachsen hatte über die Frage zu entscheiden, ob Strom, den der Vermieter über eine Photovoltaikanlage erzeugt und an die Mieter liefert, umsatzsteuerlich als Nebenleistung der Vermietung anzusehen ist. 

Das Finanzgericht hat diese Frage verneint und der Klage des Vermieters stattgegeben. Auch wenn Strom über eine Photovoltaikanlage vom Vermieter erzeugt und an die Mieter geliefert wird, handele es sich dabei im Regelfall nicht um eine unselbstständige Nebenleistung der (steuerfreien) Vermietung. Entscheidend sei, dass der Mieter die Möglichkeit habe, den Stromanbieter frei zu wählen. Auch der Europäische Gerichtshof habe in einem vergleichbaren Fall die Stromlieferung als von der Vermietung getrennt angesehen. 

Da der Bundesfinanzhof über diese Rechtsfrage bisher noch nicht ausdrücklich entschieden hat und die Finanzverwaltung das Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht anwendet, hat das Finanzgericht Niedersachsen die Revision zugelassen.

(FG Niedersachsen, Urteil vom 25.02.2021)

2. Wohnungsvermietung: Energielieferungen sind steuerpflichtige Hauptleistungen

Vor dem Finanzgericht Münster klagte die Vermieterin eines Grundstücks, auf dem sich u. a. ein Haupthaus mit zwei Wohnungen befand. Sie installierte 2016 eine neue Heizungsanlage für die Wohnungen im Haupthaus. Die Klägerin gab Umsatzsteuervoranmeldungen ab und verzichtete auf die Kleinunternehmerregelung. Sie gab steuerpflichtige Umsätze aus den Energielieferungen an die Mieter an und Vorsteuern aus der Rechnung über die Installation der Heizungsanlage sowie den Gaslieferungen. Es errechnete sich ein Erstattungsbetrag. Das Finanzamt war jedoch der Ansicht, es handele sich bei den Energielieferungen um unselbstständige Nebenleistungen zu der steuerfreien Wohnungsvermietung und setzte die Umsatzsteuervoranmeldungen auf 0 Euro fest. 

Die Klage hiergegen hatte vor dem Finanzgericht Münster Erfolg. Es entschied, dass die durch den Vermieter an den Mieter erbrachte Energielieferungen nicht als Nebenleistungen zur steuerfreien Wohnungsvermietung, sondern als steuerpflichtige Hauptleistungen anzusehen sind.

(FG Münster, Gerichtsbescheid vom 6.4.2021)

3. Abgabefrist für Steuererklärungen für das Veranlagungsjahr 2020 verlängert

Der Bundesrat hat am 25. Juni 2021 der Verlängerung der Abgabefrist für die Steuererklärung 2020 um drei Monate zugestimmt. Steuerpflichtige, die ihre Steuererklärung selbst anfertigen, haben nun bis Ende Oktober 2021 Zeit, um ihre Erklärung beim Finanzamt abzugeben. Sind Angehörige der steuerberatenden Berufe mit der Erstellung beauftragt, verlängert sich der Termin auf den 31. Mai 2022. Auch die besonderen Abgabefristen für Steuerpflichtige mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft verlängern sich um drei Monate. Parallel dazu wird auch die Karenzzeit zur Verschonung von Verzugszinsen auf Steuerschulden um drei Monate ausgeweitet. 

Der Bund möchte neben den Steuerzahlern und insbesondere die Steuerberater entlasten, da seit Corona ein deutlich höheres Arbeitspensum anfällt. Auch die Finanzämter sind wohl froh, da sich auch dort die Lage arbeitsbelastend verschärft. 

Hinweis: Da der 31. Oktober 2021 ein Sonntag ist, verschiebt sich die Frist auf Montag, den 1. November 2021. In Bundesländern, in denen der 1. November ein Feiertag ist, ist der 2. November 2021 der letzte Abgabetermin für die Steuererklärung 2020.

(BR, Mitteilung vom 25.06.2021)

4. Geldleistung oder Sachbezug – Gutscheine an Arbeitnehmer

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat zur Abgrenzung zwischen einer Geldleistung und einem Sachbezug des Arbeitgebers Stellung genommen und erläutert anhand zahlreicher Beispiele, wann eine Geldleistung und wann ein Sachbezug, für den eine Freigrenze von aktuell 44 € monatlich gelten kann, vorliegt. 

Hintergrund: Zum Arbeitslohn gehören sowohl Geldleistungen als auch Sachbezüge, also Einnahmen, die nicht in Geld bestehen. Das Gesetz gewährt derzeit bei Sachbezügen eine Freigrenze von monatlich 44 €, wenn der Sachbezug zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Wird die Freigrenze um einen Cent überschritten, ist der gesamte monatliche Sachbezug steuerpflichtig. 

Nach dem Gesetz gehören zu den Einnahmen in Geld auch zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten. Zweckgebundene Gutscheine und entsprechende Geldkarten sind hingegen ein Sachbezug, sofern sie ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen beim Arbeitgeber oder bei einem Dritten berechtigen und ab dem 1.1.2022 zusätzlich die Kriterien des Zahlungsdiensteaufsichts-gesetzes erfüllen.

Wesentlicher Inhalt des aktuellen BMF-Schreibens: 

a. Zu den Sachbezügen gehören u.a. 

  • die Gewährung von Kranken-, Krankentagegeld- oder Pflegeversicherungsschutz bei Abschluss einer entsprechenden Versicherung und Beitragszahlung durch den Arbeitgeber, 
  • die Gewährung von Unfallversicherungsschutz, soweit der Arbeitnehmer den Anspruch gegenüber dem Versicherungsunternehmen geltend machen kann und die Beiträge nicht pauschal besteuert werden, 
  • die Gewährung von Papier-Essensmarken und täglichen Zuschüssen zu Mahlzeiten (sog. digitale Essensmarken) sowie 
  • die Gewährung von Gutscheinen oder Geldkarten, die einen Bezug von Waren bzw. Dienstleistungen vom Aussteller des Gutscheins aus seiner eigenen Produktpalette ermöglichen oder die einen Bezug von Waren bzw. Dienstleistungen aus einem begrenzten Kreis von Akzeptanzstellen im Inland ermöglichen. 

Hinweis: Zu den Gutscheinen gehören etwa wiederaufladbare Geschenkkarten für den Einzelhandel, Tankgutscheine oder Kundenkarten von Einkaufszentren. Erfasst werden auch Gutscheine oder Geldkarten, die sich auf eine sehr begrenzte Waren- oder Dienstleistungspalette (auch aus dem Ausland) beziehen, z. B. für Netflix oder für Bekleidung und Düfte. Die Gutscheine dürfen nach Ansicht des BMF allerdings nicht auf Plattformen einlösbar sein (z. B. Amazon). 

b. Zu den Geldleistungen gehören u.a. 

  • eine Zahlung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer bei Abschluss einer Kranken-, Krankentagegeld- oder Pflegeversicherung und Beitragszahlung durch den Arbeitnehmer, wenn die Zahlung des Arbeitgebers mit der Auflage verbunden ist, dass der Arbeitnehmer mit einem vom Arbeitgeber benannten Unternehmen einen Versicherungsvertrag schließt, 
  • zweckgebundene Geldleistungen oder nachträgliche Kostenerstattungen, z. B. eine Geldzahlung des Arbeitgebers für den Erwerb eines Fahrrads oder die Erstattung des Kaufpreises für ein Fahrrad. (Hinweis: Ein Fahrrad kann jedoch durch den Arbeitgeber gekauft oder geleast und dem Arbeitnehmer zur Nutzung überlassen werden.)

Hinweise: Geldleistung und Sachbezug sind grundsätzlich steuerpflichtig. Bei einem Sachbezug kann allerdings die monatliche Freigrenze von 44 € greifen, die ab 2022 auf 50 € erhöht wird. Außerdem lässt sich der Zeitpunkt des Zuflusses bei einem Sachbezug nicht immer zweifelsfrei bestimmen, wenn z. B. ein Gutschein gewährt wird. Ist der Gutschein beim Arbeitgeber einzulösen, kommt es auf den Zeitpunkt der Einlösung an. Ist der Gutschein bei einem Dritten einzulösen, erfolgt der Zufluss mit der Hingabe des Gutscheins, weil der Arbeitnehmer in diesem Moment einen Rechtsanspruch gegenüber dem Dritten erhält. 

Zu beachten ist, dass Beiträge an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung stets zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen, ohne dass die Freigrenze für Sachbezüge anwendbar ist. 

Das BMF-Schreiben gilt ab dem 1.1.2020. Allerdings beanstandet es das BMF nicht, wenn Gutscheine und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen, aber nicht die Voraussetzungen des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes erfüllen, noch bis zum 31.12.2021 als Sachbezug anerkannt werden; insoweit ist dann die Freigrenze für Sachbezüge grundsätzlich anwendbar.

(BMF, Schreiben vom 13.04.2021)

 

5. Kaufpreisaufteilung für ein bebautes Grundstück

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat eine neue Arbeitshilfe zur Aufteilung des Kaufpreises für ein bebautes Grundstück auf den Grund und Boden und auf das Gebäude veröffentlicht, nachdem die bisherige Arbeitshilfe vom BFH verworfen worden war. Die neue Arbeitshilfe sieht neben dem bisherigen Sachwertverfahren auch das Ertragswert- sowie das Vergleichswertverfahren vor. 

Hintergrund: Beim Kauf eines bebauten Grundstücks, das zur Einkünfteerzielung eingesetzt, also vermietet oder betrieblich genutzt wird, muss der Kaufpreis auf den Grund und Boden sowie auf das Gebäude aufgeteilt werden. Nur der Gebäudeanteil kann abgeschrieben werden, während der Grund- und Bodenanteil nicht abgeschrieben wird. Das BMF hatte vor einigen Jahren eine Arbeitshilfe veröffentlicht, die ein Berechnungsprogramm für die Aufteilung enthielt, welches jedoch ausschließlich auf dem sog. Sachwertverfahren beruhte. Der BFH hat diese Arbeitshilfe in einem Urteil aus dem letzten Jahr als ungeeignet erachtet, weil sie nur das Sachwertverfahren vorsah und weil Regionalisierungsfaktoren unberücksichtigt blieben, die gerade in Ballungsgebieten bedeutsam sind. 

Wesentlicher Inhalt der neuen Arbeitshilfe: 

  • Die neue Arbeitshilfe enthält mehrere Berechnungsmodi, nämlich das Ertragswertverfahren, das Vergleichswertverfahren sowie – wie bisher – das Sachwertverfahren. Das Vergleichswertverfahren ist bei Eigentumswohnungen sowie bei Ein- und Zweifamilienhäusern anwendbar. Das Ertragswertverfahren gilt für Mietwohngrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke und Geschäftsgrundstücke, aber auch für Eigentumswohnungen und Ein- und Zweifamilienhäuser, sofern es keinen Vergleichswert gibt. Und das Sachwertverfahren kann bei allen anderen Grundstücken angewendet werden. 
  • Bei jeder dieser Methoden wird zunächst der Grund und Boden bewertet, indem die Fläche des Grundstücks mit dem Bodenrichtwert multipliziert wird. Dies gilt unabhängig vom jeweils anzuwendenden Verfahren. 
  • Anschließend wird je nach Art des Grundstücks das Vergleichswert-, Ertragswert oder Sachwertverfahren angewendet, um den Gebäudewert zu ermitteln. Abschließend werden der Gebäudewert und der Grund- und Bodenwert ins Verhältnis zum Kaufpreis gesetzt und daraus der jeweilige Anteil abgeleitet. 

Hinweise: Abzuwarten ist, ob sich nach der neuen Arbeitshilfe bei Anwendung des Vergleichswert- oder Ertragswertverfahrens wirklich höhere Gebäudeanteile ergeben. 

Die Arbeitshilfe ist nicht verbindlich, so dass die Kaufpreisaufteilung auch auf andere Art vorgenommen werden kann, z. B. mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens oder anhand einer im Kaufvertrag vorgenommenen Kaufpreisaufteilung. 

Hinweis: Im Notarkaufvertrag sollte deshalb immer selbst eine Aufteilung des Kaufpreises vorgenommen werden. Der Grund- und Bodenanteil sollte dabei schlüssig sein und mindestens in Höhe des Bodenrichtwertes angesetzt werden.

(BMF, Urteil vom 21.07.2020)

6. Steuerliche Nutzungsdauer für beruflich durch Arbeitnehmer angeschaffte Computer, Drucker, Software etc. verkürzt

Wer sich für die Arbeit auf eigene Kosten Computer, Drucker oder Software etc. anschafft, kann das steuermindernd geltend machen. Ab dem Veranlagungsjahr 2021 können die Kosten sogar vollständig im Jahr des Kaufes abgesetzt werden. 

Die Änderung dieser Steuervorschrift betrifft eine Vielzahl an Käufen, von Computerhardware über Peripheriegeräte und Zubehör bis hin zu Betriebs- und Anwendersoftware. Wird die Technik mindestens zu 90 Prozent beruflich genutzt, ist die vollständige Abschreibung des Kaufpreises als Werbungskosten erlaubt. Wenn der private Nutzungsanteil mehr beträgt, ist zwischen privater und beruflicher Nutzung abzugrenzen. Nur der berufliche Anteil ist gemessen am Kaufpreis als Werbungskosten absetzbar. 

Bisher mussten Computer, Drucker und Software mit einem Anschaffungspreis über 800 Euro netto über den Zeitraum von drei bis fünf Jahren abgeschrieben werden. Der Kaufpreis wurde also auf mehrere Steuerjahre aufgeteilt. Dem liegt die AfA-Tabelle zur Abschreibung für allgemeine Anlagegüter zugrunde. Die Finanzverwaltung hat die steuerlichen Abschreibungsregelungen nun geändert: Seit dem 1. Januar 2021 wird eine gewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr angenommen. Dies gilt auch rückwirkend für noch nicht vollständig abgeschriebene Geräte. 

Hinweis: Macht die private Nutzung einen nicht unerheblichen Anteil aus, sollte man ggf. mit dem Arbeitgeber die Sachlage besprechen. Die private Nutzung von betrieblichen Personalcomputern die an den Arbeitnehmer überlassen werden, ist nämlich steuerfrei und der Arbeitgeber hat stets die Möglichkeit der Sofortabschreibung!

7. Haushaltsnahe Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen – Nebenkostenabrechnung vorlegen

Auch selbst nutzende Wohnungseigentümer und Mieter können Ausgaben für haushaltsnahe Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen anteilig steuerlich geltend machen. Dafür sollte die Nebenkostenabrechnung bei der Einkommensteuererklärung vorgelegt werden. Das Finanzamt erkennt u. a. Kosten für die Reinigung des Treppenhauses, für Dach-, Fassaden- und Gartengestaltungsarbeiten oder für Reparatur, Wartung oder Austausch von Heizungsanlagen an. Abzugsfähig sind auch die Schornsteinfegergebühren oder Kosten für das Überprüfen von Blitzschutzeinrichtungen. Die insgesamt anfallenden Aufwendungen müssen auf die einzelnen Eigentümer oder Wohnungen aufgeteilt sein. In der Jahresabrechnung sollten die einzelnen Dienstleister mit den Gesamtkosten aufgeführt sein und dazu detailliert der den einzelnen Wohneinheiten zugeordnete Kostenanteil. Alternativ können sich Wohnungseigentümer eine Bescheinigung des Verwalters für das Finanzamt ausstellen lassen.

8. Kosten für Abonnement einer Tageszeitung meist nicht abzugsfähig

Der Sprecher eines Bankvorstands klagte gegen seinen Einkommensteuerbescheid. Er wollte die Kosten für sein Tageszeitungsabonnement - zumindest anteilig - als Werbungskosten bei der Steuer absetzen. Er trug vor, dass die tagesaktuelle Information über Finanzen, Politik und Wirtschaft wesentlicher Bestandteil seiner Tätigkeit sei. Das Finanzamt war jedoch der Auffassung, die Tageszeitung enthalte aber in großem Umfang auch Informationen über Politik, Kultur und Sport, was nicht zum Berufsbild des Klägers gehöre. 

Das Finanzgericht Düsseldorf gab dem Finanzamt Recht. Aufwendungen der privaten Lebensführung - wozu auch das Zeitungslesen gehöre - seien keine Werbungskosten. Auch ließe sich nicht aufteilen, in welchem Umfang der Kläger die Tageszeitung privat bzw. beruflich lese. 

Hinweis: Ausgaben für das Abonnement von Fachzeitschriften, die nahezu ausschließlich betrieblich genutzt werden, können jedoch steuermindernd geltend gemacht werden. Auch sollten Aufwendungen für Tageszeitungen und Zeitschriften, die für den Betrieb etwa von Gaststätten, Hotels und Friseursalons oder für Arztpraxen bezogen werden, immer als Betriebsausgaben angegeben werden.

(FA Düsseldorf, Urteil vom 2.2.2021)

9. Bau neuer Mietwohnungen kann Steuervorteile bringen

Vermieter können für neu gebaute Wohnungen im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen. Dies setzt aber voraus, dass der Bauantrag für die neue Wohnung vor dem 1. Januar 2022 gestellt wird dann mindestens zehn Jahre lang vom Bauherrn oder Käufer vermietet wird. 

Gewährt werden jährlich bis zu 5 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten zusätzlich zur normalen Abschreibung. So können innerhalb von vier Jahren insgesamt bis zu 28 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wohnung steuerlich wirksam werden. Gefördert werden dabei nicht nur Wohnungen im Zusammenhang mit dem Neubau von Gebäuden, sondern auch die Schaffung neuer Wohnungen in bestehenden Gebäuden, z. B. ein Dachgeschossausbau. 

Bauanträge können nur von vorlageberechtigten Architekten und Bauingenieuren gestellt werden. Ist kein Bauantrag erforderlich, muss die Bauanzeige bis zum Stichtag erfolgen. Diese kann vom Steuerpflichtigen selbst vorgenommen werden. 

Zu beachten ist, dass die Sonderabschreibungsmöglichkeit nur für maximal 2.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche absetzbar und generell ausgeschlossen ist, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten je Quadratmeter Wohnfläche einen Betrag von 3.000 Euro übersteigen.

10. Ermittlung der ortsüblichen Miete

Die ortsübliche Miete, die für die Prüfung des Werbungskostenabzugs bei den Vermietungseinkünften wichtig ist, ist vorrangig auf der Basis des örtlichen Mietspiegels zu ermitteln. Gibt es keinen Mietspiegel oder ist er nicht verwendbar, kann die ortsübliche Miete mithilfe eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder durch Auskunft aus einer Mietdatenbank oder unter Heranziehung mindestens dreier vergleichbarer Wohnungen ermittelt werden. Jede dieser drei letztgenannten Ermittlungsarten ist grundsätzlich gleichrangig. 

Hintergrund: Bei der Vermietung von Wohnungen fallen regelmäßig Werbungskosten an. Der Gesetzgeber sieht eine anteilige Kürzung der Werbungskosten vor, wenn die Miete weniger als 66 % bzw. – seit 2021 – weniger als 50 % der ortsüblichen Miete beträgt. 

Sachverhalt: Die Klägerin vermietete seit 2015 eine 57 qm große Wohnung in Thüringen an ihre Tochter zu einer Miete von 300 € monatlich zuzüglich einer Nebenkostenpauschale von 70 €. Die Tochter trug die monatliche Abschlagzahlung für den Strom in Höhe von 49 €. Eine weitere gleich große Wohnung im selben Haus vermietete die Klägerin an einen Fremdmieter für monatlich 500 € zuzüglich einer Nebenkostenpauschale von 78 €. Das Finanzamt erkannte die Werbungskosten für die an die Tochter vermietete Wohnung nur im Umfang von 64,01 % an. Hierbei ging es von einer ortsüblichen Miete von 578 € aus, so dass die von der Tochter gezahlten 370 € weniger als 66 % hiervon, nämlich 64,01 %, betrugen. 

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück: 

  • Bei der ortsüblichen Miete handelt es sich um die ortsübliche Kaltmiete (zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten) für vergleichbare Wohnungen, wie sie sich aus dem örtlichen Mietspiegel ergibt. Dies kann der einfache Mietspiegel, aber auch der qualifizierte Mietspiegel sein. Maßgeblich ist dabei die sich aus dem Mietspiegel ergebende Spanne für vergleichbare Wohnungen; es ist also nicht der Mittelwert anzusetzen. Die Miete ist erst dann nicht mehr ortsüblich, wenn sie die Grenzwerte der Spanne über- oder unterschreitet. 
  • Die ortsübliche Miete ist nur dann nicht aus dem Mietspiegel abzuleiten, wenn es keinen Mietspiegel gibt oder der Mietspiegel nicht regelmäßig an die Marktentwicklung angepasst worden ist oder der Mietspiegel substanzielle Defizite bei der Datenerhebung aufweist oder aus sonstigen Gründen einen mangelhaften Erkenntniswert hat. Gleiches gilt, wenn es sich um ein Sonderobjekt handelt, das nicht vom Mietspiegel erfasst wird.

 In den Fällen, in denen nicht auf einen Mietspiegel zurückgegriffen werden kann, kann die ortsübliche Miete aus einem Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder aus der Auskunft einer Mietdatenbank oder aus den Mieten für mindestens drei vergleichbare und mit Adresse, Lage und Stockwerk bezeichneten Wohnungen abgeleitet werden. Jeder dieser Ermittlungswege ist grundsätzlich gleichrangig. 

  • Im Streitfall darf die ortsübliche Miete nicht aus der anderen von der Klägerin vermieteten Wohnung abgeleitet werden. Vielmehr muss das FG zunächst den örtlichen Mietspiegel heranziehen und bei der Höhe der gezahlten Miete auch die von der Tochter gezahlte Abschlagzahlung für den Strom berücksichtigen, da es sich insoweit um einen abgekürzten Zahlungsweg handelt; die gezahlte Miete betrug damit 419 € (300 € + 70 € + 49 €). 

Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass vorrangig der örtliche Mietspiegel auszuwerten ist, um die ortsübliche Miete zu ermitteln. Erst wenn dieser nicht vorhanden oder nicht verwertbar ist, darf auf die Mieten für drei oder mehr vergleichbare Wohnungen zurückgegriffen werden; es ist also nicht möglich, nur die Mieten für ein oder zwei vergleichbare Wohnungen heranzuziehen. Der BFH hält damit an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, nach der eine vergleichbare Mietwohnung im selben Haus als Vergleichsmaßstab herangezogen werden konnte.

(BFH, Urteil vom 10.11.2020)